Ramiro Pinilla: Nur ein Toter mehr
NUR EIN TOTER MEHR von Ramiro Pinilla ist ein sehr unterhaltsamer und mit einem Augenzwinkern erzählter Krimi, der auch einen Einblick in das spanische Baskenland kurz nach dem Weltkrieg gibt.
Das Baskenland kurz nach dem 2. Weltkrieg. Die spanische Republik hat den Bürgerkrieg gegen die Franco-Faschisten verloren. In dem kleinen Küstenort Getxo lebt der Buchhändler Sancho Bordaberris. Der junge Sancho liebt die amerikanischen Kriminalstories von Hammett, Chandler und Co. Aber er verschlingt und verkauft sie nicht nur, er schreibt auch selbst Krimis. Sechszehn Geschichten hat er bereits verfasst, und sechszehn mal wurde er von den Verlagen abgelehnt, immer mit der Begründung, es fehle ihm an Realismus. Als er sein letztes Manuskript am Dorfstrand von Getxo im Meer versenken will, fällt ihm ein, dass hier vor zehn Jahren jemand die zwielichtigen Zwilllingsbrüder Altube an einen Metallring gekettet und der Flut überlassen hat. Nur einer der beiden überlebte; die Täter wurden nie gefasst. Also gibt sich Sancho eine letzte Chance und macht sich, frei nach seinem berühmten Vorbild Sam Spade, als Privatdetektiv “Samuel Esparta” mit Hut und Anzug auf, den alten Fall neu aufzurollen. Aber dieses mal will er nichts dem Zufall überlassen: Jeden seine Schritte hält er in einem Buch fest, damit es im neuen Krimi bloß nicht an Realität fehlt. Mit von der Partie ist auch seine Angestellte Koldobike, die ihr Haar streng nach dem literarischem Vorbild platinblond färbt und als Sekretärin immer den entscheiden Tipp bereit hält. Aber nicht allen Bewohnern von Getxo gefällt Sanchos neue Rolle. Vor allen Dingen Francos Schergen wollen lieber Gras über die finsteren Bürgerkriegszeiten wachsen lassen...
Ramiro Piella legt seinen Roman “Nur ein Toter mehr“ wie einen klassischen Detektivroman an. Und doch ist der Aufbau der Story ein ganz anderer - es ist eine wunderbare Idee, die Krimihandlung als Roman im Roman spielen zu lassen. Auf diese Weise schafft Piella eine spannende Distanz zu seiner Geschichte, die er, immer mit einem leichten Augenzwinkern, Stück für Stück vor uns ausbreitet. Natürlich spielt dabei auch die politische Situation nach dem spanischen Bürgerkrieg eine wichtige Rolle, in dem viele Republikaner gefallen oder bei den anschließenden “Säuberungen” der Faschisten ermordet worden waren. Und wie der Autor durch die sympathische Figur des Sancho “Sam” zu berichten weiß, zählte in dieser Zeit auch ein baskisches Leben nur wenig - nicht ohne Grund veröffentlicht er den Band unter dem Titel “Solo un muerto mas” (eben: “Nur ein Toter mehr”). Virtuos hält Piella über die gesamte Länge des Buchs die fragile Balance zwischen den verschiedenen Ebenen seiner Story durch. So ist “Nur ein Toter mehr” ein sehr unterhaltsamer und mit einem Augenzwinkern erzählter Krimi, der auch einen Einblick in das spanische Baskenland kurz nach dem Weltkrieg gibt.
Ramiro Pinilla, 1923 in Bilbao geboren, gilt als einer der bedeutendsten baskischen Schriftsteller der Gegenwart. Nach großen Erfolgen in den 60er Jahren (1960/61 erhielt er den Premio Nadal und den Premio de la Crítica für ›Las ciegas hormigas ‹ dt. ›Die blinden Ameisen‹, DVA 1963) verabschiedete er sich 1971 vom offiziellen spanischen Literaturbetrieb, hörte aber nie auf, zu schreiben. Erst 2004 trat er wieder ans Licht der Öffentlichkeit - mit seinem monumentalen baskischen Familienepos ›Verdes valles, colinas rojas‹, für das er die bedeutendsten Literaturpreise Spaniens, den Premio de la Crítica 2005 und den Premio Nacional de Narrativa 2006 erhalten hat und das nach Auffassung der Kritiker einer der wichtigsten spanischen Romane der letzten Jahrzehnte ist.
Rezension von Silke Schröder
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